Martin Walser ist tot
10 August 2023
Hanna: | Wir trauern um Martin Walser, der für mich zur Bundesrepublik gehört wie Konrad Adenauer, Der Spiegel oder die Bratwurst. Er war ohne Zweifel einer der bedeutendsten Schriftsteller der Nachkriegszeit. Für viele war er sogar der wichtigste Autor. Sein Gesamtwerk ist gewaltig. Walser schrieb unermüdlich und mit obsessiver Produktivität bis zu seinem Todestag. Jahr für Jahr legte er bis ins hohe Alter einen Roman vor. Seine Werke handeln häufig von individuellen Menschen, die den Anforderungen an sich selbst oder von anderen nicht gewachsen sind. Das Scheitern am Leben ist eigentlich ein Grundmotiv seiner Werke. Er schrieb auch Theaterstücke und unzählige Aufsätze und Artikel. Allerdings löste er auch viele Kontroversen aus. Der bei weitem größte Eklat folgte auf seine Rede beim Empfang des Friedenspreises des deutschen Buchhandels in der Paulskirche im Jahr 1998. Damals sagte er unter anderem sinngemäß, Auschwitz eigne sich nicht als „Moralkeule“ und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Ignatz Bubis, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, saß im Publikum und warf Walser später „geistige Brandstiftung“ vor. Hältst du Walser für den größten deutschen Nachkriegsschriftsteller, Michael? |